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Einführung
Vor
Herbert Stepans Zeichnungen und Bildern wird man ruhig und nachdenklich.
Diese Ruhe ist wohl die erste Empfindung, die den Betrachter überkommt,
noch ehe er sich tiefer mit ihnen befassen und sich in sie hineinzudenken
vermag. Eine friedliche Gelassenheit und Zuständlichkeit liegt wie
eine gläserne Tafel Über den Darstellungen die dadurch seltsam
gebannt erscheinen, dem realen Leben und seinen lauten Ansprüchen
entrückt, hinausgehoben in eine stillere Art des Seins. Insofern
springt ein Anliegen des Künstlers sofort auf den Betrachter über,
macht sein Wollen spürbar: Die Dinge über ihre momentane Erscheinungsform
hinaus zu erfassen, sie mit ihrer inneren Wesenheit in Einklang zu bringen
und als das darzubieten, was sie sein sollten und müssten und wohl
auch in Wirklichkeit sind, nicht nur als das, was sie zu sein scheinen.
Daher sind in seinen Bildern auch keine Naturaufnahmen projiziert; die
,,Realität" in Herbert Stepans Bildwelt ist von höherer,
vergeistigter Art, sie ist eine Subsummierung vieler Aspekte, die in eine
Region allgemeiner Gültigkeit versetzt werden. Das Weltbild des Menschen
Herbert Stepan, seine humane, liberale Einstellung, seine tiefe Ehrfurcht
vor Mensch und Natur bestimmt mit seiner verinnerlichten Bescheidenheit
auch die Thematik, der er sich zuwandte und die er zu bewältigen
versucht. Seine Zeichnungen sind nicht ,,Naturskizzen" im engeren
Sinn, also Übungen, Studien als Material zur Verwendung in späteren
Kompositionen, sie sind in der Kalligraphie des zarten Linienwerks geordnete,
geglättete Darstellungen von Zustanden, Über alle chaotische
Zufälligkeit der tatsächlichen äußeren Erscheinungsform
hinaus. Ordnung und Geistigkeit bestimmen die Bilderwelt Herbert Stepans,
dominieren in gesammelter Zucht die Sensibilität eines Mitfühlenden,
Mitleidenden, der sich mit Stift und Pinsel keine Flucht in romantische
Verschwommenheiten und Lyrismen gestattet. Damit hangt natürlich
auch die Präzision zusammen, die Herbert Stepan als eminenten Graphiker
zur Linie drangt, bei der Linie halt, die in den Gemälden ebenso
dominant ist wie in den zeichnerischen Arbeiten und klar begrenzte, wohldurchdachte
Flachen schafft, denen in ihrer Zuordnung zueinander ein wesentlicher
Aussagewert zukommt. Behutsam ist seine Kunst, zärtlich fast das
Linienspiel, das sich nur selten zu dunklen Schatten verdichtet. Besonders
in seinen Radierungen wird durch das gedrängte Lineament Plastizität
und Tiefe erreicht. immer aber ist der Künstler distanziert vom Objekt,
das er nachschafft, bei aller inneren Bindung und Versenkung versucht
er dahinter den Typus, das Allgemeine, Bleibende zu erfassen. Eine lange
Tradition verbindet Herbert Stepan, der ohne Neigung zu Konzessionen an
die wechselnden Richtungen jeweils moderner lismen seinen Weg gegangen
ist, mit dem Heute. Die Schule Professor Karl Sterrers an der Wiener Akademie
der bildenden Künste hat ihn sicherlich geformt, ohne aber seine
persönlichen Ausdrucksmöglichkeiten zu beeinflussen. Die Epoche
der Sachlichkeit seiner jungen Jahre, der starke Zeitstrom der Abstraktion
hat ihn wohl berührt, doch blieb er seiner Wesenheit, seinen Überzeugungen
und Anschauungen treu und arbeitete kontinuierlich mit großem Fleiß
und steter Beharrlichkeit an sich und an seinem Werk weiter. Weiß
er doch als einer, der imstande ist, sich von der eigenen Persönlichkeit
zu distanzieren und sich selbst über die Schulter zu sehen, viel
zu gut um die Gefahren, die unweigerlich einem Künstler drohen, der
nicht zuerst in sich hort und schaut, sondern zu anderen, und Modisches
über die eigene Eigenart stellt. Dieses Lauschen und hinter die Dinge
blicken, das Versenken in den Gegenstand ist der deklarierte Hauptinhalt
des gesamten Schaffens von Herbert Stepan. Er versenkt sich in Blumen,
Bäume und Gesträuch, in die unscheinbaren kleinen Dinge am Weg,
blickt vom Fenster in die Hinterhofe und Garten der alten Vorstadthäuser,
in denen hohe alte Baume stehen und deren verschachteltes und verwinkeltes
Mauerwerk mit dem bizarren Dachgewirr mehr ist als Kulisse; und alles
das gerinnt ihm zum Bild und wird dabei von einem Hauch leiser Schwermut
wie von einer herbstlichen Stimmung überlagert. Solche Bilder, vor
denen man an Wildgans denken muss, an Doderer und manch anderen Dichter
dieser Stadt, zeigen, dass Herbert Stepan im Herzen ein Poet ist. Auch
in anderen Bildern, die sich mit Ausschnitten menschennaher Natur befassen,
in den sorgsam komponierten Stillleben und den durch die Farbgebung verfremdeten
Abbildern von Pflanze und Baum klingt eine poetische Stimmung an. Aber
- warum denn nicht Poesie im Malerischen? Poeten wissen mehr von Welt
und Sein, von den ihnen innewohnenden Gesetzmäßigkeiten und
daher mehr von der Wirklichkeit, sie spüren das Heimliche auf hinter
den Dingen, über die das Auge sonst ahnungslos schweift. So gilt
dem Maier nichts gering, dass eine formale Gestaltungsmöglichkeit
besitzt, die seine Phantasie reizt und seinen Bildvorstellungen entgegenkommt.
Seine ganz besondere und hauptsachliche Neigung gilt aber dem Menschen,
dem Antlitz, worin das Leben seine Spuren gegraben hat und hinter dem
das andere Ich steht, Geist und Leidenschaft, Wille und Resignation, Stolz
und Würde. Diesen immer einmaligen Spiegel der Seele wiederzugeben
mit psychologischer Einfühlsamkeit in das andere Menschentum erachtet
Herbert Stepan als die vornehmste Aufgabe seiner Künstlerschaft.
Neben dem dominierenden Antlitz nehmen aber auch die Hände, nicht
zu verbergender Spiegel des Charakters, auch sie, einen wesentlichen Platz
ein. ihre Haltung, ihre Verschränkung ergänzt das Bild einer
Persönlichkeit. Das Beiwerk tritt im allgemeinen zurück, ist
signifikantes Kürzel für die Persönlichkeit des Dargestellten
und seinen Beruf, der Hintergrund aber ist in die Komposition einbezogen,
die in flächiger Abstrahierung auch die Kleidung durch äußerste
Reduzierung einbezieht, durch das Zurücknehmen in die farbige Fläche,
die Überhaupt neben der Kontur von großer und niemals zufälliger
Bedeutung ist. Kontraste haben hier ihren wohlüberlegten Sinn, aber
der meist gedämpfte Zusammenklang erdiger matter Farben, der der
Flachenmalerei Herbert Stepans adäquat ist, gibt die Grundstimmung
für das Bildnis und ist mit der Gesamtkomposition einer gezielten
Zuordnung unterworfen. Zeichnerisch, und hart wirkt diese Porträtmalerei,
bleibt aber niemals eine Aufnahme der äußeren, konventionellen
Erscheinung allein. Ruhig, gelassen und souverän blicken diese Männer
und Frauen aus den Bildnissen, in die sie nun für immer gestellt
sind, gesammelt in ihrem Sein, in ihrer Seele. Um das spürbar zu
machen, ausdrücken und festhalten zu können, bedarf es aber
auch viel Seele und Kraft von Seiten des Malers. Herbert Stepan hat genug
davon, genug, um auch Kinderbildnisse von großer Eindringlichkeit
malen zu können und in ihnen das Geheimnisvolle des heranwachsenden
Lebens zu erfassen und zu gestalten. Es sind das kleine Menschenpersönlichkeiten,
vor denen das Leben noch als Versprechen, Auftrag und Lockung liegt. Es
ist schwierig und soll auch nicht versucht werden, bei der Beschreibung
von Herbert Stepans Eigentümlichkeit als Maier derart unzeitgemäße
Worte wie ,,Poesie", ,,Seele" und ,,Geistigkeit" zu vermeiden,
also Begriffe, die sozusagen längst aus dem Vokabular zeitgenössischer
Kunst und Kunstbetrachtung eliminiert und verpönt sind. Aber was
soll’s - ein Menschendarsteller und Schilderer unverwechselbarer
Physiognomien wird ohne das Dahinter nicht auskommen können, wie
immer es auch bezeichnet werden mag. Keine Einordnung in andere Gruppierungen
könnte dem Stil und der Eigenart des Malers Herbert Stepan so nahe
kommen und gerecht werden, wie die glückliche Bezeichnung ,,spiritueller
Realismus", die Walther Maria Neuwirth fand. Der Vorwurf der Unzeitgemässheit
- auch dies ein auf einen zeitgenössischen Künstler a priori
gänzlich unzutreffender und nicht anwendbarer Begriff, denn niemand
kann seiner Zeit entfliehen, die jedem Werk, welcher Richtung immer, ihren
unverwisch- baren Stempel aufdrückt - vermag Herbert Stepans Werk
und stilles Wirken nicht zu berühren. Das Mitmachen - und Dabei sein
müssen war ja nie seine Sache gewesen, und aktuell sein bedeutet
für ihn etwas ganz anderes als dies, nämlich: Nicht zu vergessen,
dass alles ineinander übergeht, im Heute das Gestern und das Morgen
eingeschlossen ist, die wesentlichen Anliegen stets „aktuell“
waren und sein werden, und dass nichts aktueller sein kann als das Bemühen,
sich selbst, seine Persönlichkeit mit allen ihr innewohnenden Mitteln
nach Möglichkeit zu verwirklichen. Besinnung und Mut zu sich selbst,
zu dem eigenen Weg und zur eigenen Überzeugung, darin scheint mir
die Bedeutung der Kunst Herbert Stepans zu liegen: Ein unangefochten aufrechter,
nobler und stiller Maler und Mensch malt noble exemplarisch „wahre“
Bilder von gerade in der heutigen Zeit tief berührenden Eindringlichkeit:
Aktualität genug.
Peter
Weninger
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