Eröffnungsrede - Herbert Stepan - L.La Speranza

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Herbert Stepan

Zur Ausstellung

Luigi La SPERANZA

Im Wiener Künstlerhaus 9.2. -4.3.1973

Wenn ich anlässlich der Eröffnung dieser, in unserem Hause recht ungewohnten Ausstellung - zu der Frau La Speranza, die Mutter unseres Luigi eingeladen hat - sehr gerne bereit bin zu sprechen - so möchte ich vorausschicken , dass ich das aber weder als Pädagoge noch als Psychologe kann, auch nicht so recht als Fachmann - sondern einfach nur als erstaunter Beobachter, erstaunt, wie andere es auch sind und sein werden.

Denn anders als in gewohnter Kinderart, nicht spielerisch kritzelnd, nicht kindlich unbeholfen oder naiv hingemalt, sind diese bunten Malereien ganz entschieden Beweise einer extremen Sonderbegabung.
Spielend und in seiner Art phantasievoll schaffend, bewältigt ein Kind seine Erlebnisse, bewältigt es seine Freude und seine Ängste.
Es gibt kein Kind, das nicht im Zusammenleben mit anderen Erfahrungen guter und schlechter Art machen müsste und das dabei nicht nur Freude sondern auch seelische Schmerzen erleben müsste. Die Umwelterlebnisse bringen Spannungen, Ängste und auch Hemmungen. Die Überwindung dieser Beeinträchtigungen ist wichtig für die kindliche Seele.
Dass dem Luigi das Malen sehr wichtig ist, davon können wir uns hier überzeugen. Warum es für ihn so ist, das ist nicht leicht zu beantworten.
Der erste Eindruck der Bilder ist: dieses Kind malt sich bestimmt seine Furcht von der Seele, befreit sich, statt eventuell aggressiv zu handeln, eben auf diese Weise - malend - von bösen Spannungen. Denn der Inhalt der Bilder ist zumeist erschreckender Art.
Man weiß aber auch - und das dürfte hier zutreffend sein - dass das Wunderbare, dass das Gruselige und auch das Schreckliche immer höchst anziehend für Kinder ist. Und man erkennt auch, dass das gruselige, ja grausame Märchen dem Kind kaum Schaden zufügt, weil es im Innersten weiß, dass ein Märchen eben ein Märchen ist.
Und wir sehen auch hier, dass diese abenteuerlichen Bilder mit den seltsamsten und erschreckensten Gebilden, unseren Luigi gar nicht zu einem traurigen Kind machen, so dass wir auch nicht sagen können: hier äußert sich eine verschreckte Seele. Märchensymbolik - man kann hier annähernd von Märchen sprechen - ist gewiss Ausdruck seelischer Vorgänge. Die Märchensymbolik verkörpert eine magische Welt, in der Wünsche mächtig sind, in der Mögliches und Unmögliches sich mischt. Sie ist nie Unwahrheit, sie ist nur “nicht wirklich”.
So wiederholt sich doch im Kind scheinbar ein Frühstadium der Menschheit, wo das Fabulieren die einzige Ausdrucksform war.

Was sind diese Bilder? Die Anregung durch ein äußeres Erlebnis lässt sich nicht ablesen. Sind es Improvisationen? Sind sie inspiriert? Dass sie Erinnerungen an Geschehenes wären ist fast ausgeschlossen. Solch ein Formgedächtnis ist in diesem Alter nicht vorstellbar. Angelernte Fähigkeiten sind es bestimmt nicht. Es ist kein Ansatzpunkt dafür zu erkennen.
Geschieht die Entstehung medial? Das wäre eine mögliche Erklärung.
Verblüffend ist wohl die Vollendung in Farb- und Formgebung, sodass man unbegreiflicher Weise fast bei jedem Bild von einer Komposition sprechen kann, sogar von einer bewussten Komposition. Und dieses - bewusst - ist auch wieder unvorstellbar.
Ist hier von einer genialen Begabung zu reden? Es kann sein. Auf jeden Fall haben wir ein Phänomen vor uns, für das uns, meiner Meinung nach, eine Erklärung fehlt. Ein Wunderkind also?
Man sagt, dass überdurchschnittliche Fähigkeiten im Zeichnen und Malen beim Kind nicht bleiben, dass sie nicht beständig sind. Das muss natürlich abgewartet werden.
Ganz bestimmt aber sollte man dieses überbegabte Kind fördern. Allerdings ohne es zu manipulieren. Hier liegt die Verantwortung bei den Eltern.
Vielleicht überrascht uns Luigi später, wenn er älter sein wird, auch! Wünschen wir es ihm!

 
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