Eröffnungsrede - Herbert Stepan - L. Pregartbauer

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Herbert Stepan

Zur Gedächtnisausstellung

LOIS PREGARTBAUER

Zur Ausstellung

LANDSCHAFT, GESEHEN - VERWANDELT


Im Wiener Künstlerhaus 5.5.-4.6.1972

Wir ehren unser, vor einem Jahr verstorbenen Mitglied Prof. Lois Pregartbauer mit einer Gedächtnisausstellung. Wir brauchen das Lebenswerk des Malers Pregartbauer nicht erst bekannt zu machen. Es ist bereits integrierter Bestandteil der Wiener Kunst geworden. Die Anregungen, die seine Arbeit in ihren so aktiven Konzeptionen schon dem “Hagenbund”, der “Sezession” und seit vielen Jahren nun auch dem “Künstlerhaus” gegeben hat, sind bekannt. Sein Gesamtschaffen hat durch viele Preise und Anerkennungen volle Würdigung gefunden, in Österreich und im Ausland.
Sein wandlungsfähiger Gestaltungswille hat ihm auch in reifen Jahren eine jugendlich, lebendige Aussagekraft geschenkt, die nie versagte, die im Gegenteil eine stete Steigerung seiner immer eigenständigen Position bewirkte.
Er hat uns oft in Erstaunen versetzt und tut es nun auch mit seinen letzten Werken, die wir in dieser Ausstellung zeigen. Auch in ihnen ist seine eminent malerische Auffassung, seine großlinige Raumkonzeption gestalterisches Prinzip geblieben.
Gewandelt aber hat sich das Sujet. Nichts mehr von liebevoller Darstellung oder gefühlvoller Interpretation von Landschaftsformen oder Menschenbildern.
Sein Thema heißt nun Angst, Fragwürdigkeit der menschlichen Existenz, Leid, Verzweiflung und Tod.
In einem Zyklus starkfarbiger Pastelle und in einem Zyklus von großformatigen Radierungen findet Pregartbauer´s persönliches Schicksal, finden seine Depressionen einen künstlerischen Niederschlag, der erschüttert. Durch seine starke Aussagekraft aber doch vom Persönlichen, vom Privaten wegführt, so dass eine allgemeine Tragödie fassbar Gestaltung gewinnt.
In einem dritten Zyklus, zu einer großen, leuchtenden Bilderwand haben wir die allerletzten Arbeiten Pregartbauers zusammengefasst.
Wie auf der Flucht vor trüben Ahnungen, wie auf der Flucht vor sich selbst, fast auf Rettung bedacht, malt Pregartbauer im letzten Jahr seines Lebens mit einem Kind, mit der 9jährigen Maria, bunte, kindliche Bilderbogen. Er überarbeitet ihre Zeichnungen, die Engel, die Kinder, das Christkind, Maria mit dem Kind und wieder Engel. Er hat diese Blätter mit “M. und L. Pregartbauer” signiert. Wir zeigen einige dieser Blätter.
Bewußt benützt Pregartbauer diese dem Kinde eigenen Abstraktionsformen weiter. Doch die leuchtenden Farben, die glitzernden, bunten Papiere können keine Unbefangenheit vortäuschen, sie verlieren alles Kindhafte. Wie unter Zwang vermischt der Maler religiöse Themen mit vulgär-erotischen Motiven, es kommt manchmal zu zynischen Deformationen.
Zeugnisse einer künstlerischen Ekstase und Not, Zeugnisse des Erleidens. Es sind Bilder eines schöpferischen Akts. Bilder die nachdenklich machen.

Die liebenswerten Landschaften Pregartbauers, diese feinsinnigen Pastelle leiten über zum 2.Teil unserer Ausstellung

LANDSCHAFT, GESEHEN - VERWANDELT

Immer wieder wird es die Landschaft sein, die Anlass gibt zu einer künstlerischen Auseinandersetzung, sie wird immer Ausgangspunkt für eine künstlerische Aufgabe sein können. Und dies nicht nur aus der österreichischen Tradition heraus. Denn es können dieser Aufgabe immer neue Aspekte abgewonnen werden, wie es auch diese Ausstellung zeigt.
Wenn auch das Thema “Landschaft” vielleicht einmal im Schaffen der Künstler nicht mehr so einen breiten Raum einnehmen wird, wie es früher, wie es bisher der Fall war - so wird manchmal nämlich prophezeit - so zeigt es sich doch, dass diese Art, die Welt zu erkennen, genügend Beweggründe hergibt zu fruchtbarer künstlerischer Arbeit.
Wir werden also immer wieder Landschaften zu sehen bekommen und wir werden sie ausstellen. Der Titel, den wir diesmal wählten “Landschaft, gesehen - verwandelt”, soll darauf hinweisen, dass zwei Wege der künstlerischen Verwirklichung Bedeutung haben und behalten werden. Das Entdecken, das Finden auf der einen Seite, das Erfinden und das Imaginative auf der anderen Seite.
Gewiss, auch die schlichte, fast unreflektierte und empfindungsvolle Wiedergabe eines Naturausschnittes, eines Motives kann schon eine Überhöhung des Gesehenen, des Optischen sein.
Es liegt au der künstlerischen Verhaltensweise, wie weit dieser ordnende Gestaltungswille geht, mit welchen Mitteln diese Verwandlung und welcher Grad der Verwandlung erstrebt und erreicht wird.
Der Bogen der Möglichkeiten ist sehr weit gespannt. Der überwiegende Teil der Künstler nimmt nicht mehr den Standpunkt des mehr oder minder passiven Betrachter ein, er wählt den Weg einer expressiven Auseinandersetzung.
Sei es nun mit der Ausdruckskraft der Farbe als Dominante, sei es das Spiel der Linien und Massen, sei es der Rhythmus als formende Bildkraft, immer geht der Weg entweder zu einer Vergeistigung der Natur oder zu einer Überlegenheit gegenüber der Wirklichkeit der Welt, zur Aufgabe der Realität, zur Abstraktion, die, von unserem Thema her gesehen, Assoziationen zur Landschaft noch beinhalten.
Um diese Verschiedenheit der künstlerischen Verhaltensweise aufzuzeigen, will ich einige Namen nennen:
Die wirklichkeitsnahen Landschaften von Herbert PASS werden durch eine sehr dynamische und ausdrucksstarke Farbgebung zu seinen Schöpfungen. Sie sind von großer künstlerischer Potenz. Der Künstler wird mit der goldenen Ehrenmedaille des Künstlerhauses ausgezeichnet.
Wir freuen uns an der geistvollen und reizvollen Erzählerfreude in den Landschaftsbildern von Frau ROTTER-PETERS. Sie mischen in geistreicher Art Gesehenes und Imaginatives.
Rudolf REINKENHOF´s Bilder zeigen eine hervorragende malerische Qualität, sie sind Zeugnisse seelischer Erlebnisse. Ihre Überzeugungskraft beruht auf einer gesteigerten Illusion des Geschauten. Sie sind voll Poesie.
Ein pantheistisches Weltgefühl vermitteln die Monotypien von Karl REISSBERGER. Imaginäre Landschaften, imaginäre Städte sind, bei betonter Zurückhaltung in der Farbe, graphisch reizvollst dargeboten. Landschaft in Bewegung möchte man diese schwermütigen Blätter nennen. Der Künstler wird ebenfalls mit der goldenen Ehrenmedaille ausgezeichnet.
Fast architektonisch ordnet Emil BEISCHLÄGER in seinem Bild “Attische Landschaft” farbstark die Bildelemente zu einem Gefüge.
Kurt AMMANN´s Bildrhythmen, eine Folge von zwei farbigen Aquarellen zeigen suggestiv verdichtete Strukturen, Landschaftszitate gleichsam, Erinnerungen geistiger Art.
Fred NOVAK´s farbstarke, flächenhaft angelegte, sehr nuancierte Monotypien sind meisterliche Abstraktionen. Sie lassen den Betrachter volle Freiheit der Assoziation.
Frau Inge DICK´s kühle Ästethik bewirkt gleichsam meditativ ein Denken an Landschaft, an Natur.
Ich habe einige Beispiele recht gegensätzlicher Art genannt, damit Sie erkennen, dass wir als Vereinigung keiner der Richtungen den Vorzug geben. Wir werfen uns nicht zum Richter auf, wir maßen uns nicht an zu sagen, so oder so darf man heute nur arbeiten - wie es leider die Kritik oft tut - wir stellen nur die Frage nach der Qualität der Aussage.
Diese Haltung unserer Vereinigung wird Ihnen auch der dritte Teil unserer Ausstellung bestätigen, die
PRÄSENTATION NEUER MITGLIEDER
Auch hier gibt es Künstler die die Welt primär visuell erleben und verarbeiten und es gibt Künstler die geistig Erlebtes zu Gestaltung bringen.
Ich nenne die Namen der neuen Mitglieder. Sie wurden 1971 zu Mitgliedern ernannt.
Peter KUBOVSKY vermittelt in dieser Ausstellung mit seinen Reiseskizzen in sehr wacher und aufmerksamer Art, in nervöser, packender Strichführung Eindrücke, die er auf Wesentliches konzentriert und reduziert.
Hugo SCHÖNBORN geht ebenfalls von einem Natureindruck aus und sucht die menschliche Figur in einem überzeugenden Lineament zur Darstellung zu bringen oder auf expressive Weise farbig zu überhöhen.
Auch bei Werner WILLER ist der Anlass ein kleines Stück Natur, das aber in Fortführung des Malprozesses nur als Zentrum erkennbar bleibt, die weitere Bildfläche aber einem Wirken überlässt, das geistig-seelische Zustände sichtbar macht. In eminent malerischer Art ist sein Thema die Vergänglichkeit.
Dora MAURER´s Radierungen sind ebenfalls Gestaltungsprozesse die in artifizieller Art ein Geschehen deutlich machen.
Angelika KAUFMANN bringt mit ihrer vom Thema her skurrilen Graphik ästhetisches Vergnügen.
So auch Leo GANZER mit seinen graphischen Erfindungen.
Inge DICK´s gemalte -gespachtelte - Flächenbilder geben stimulierende Aspekte. In modernen Räumen können sie zu entscheidender Komponente der Gestaltung werden.
Hans KRENN´s Bildergeschichten überraschen immer wieder vom Inhaltlichen her. Sie sind durch eine ebenso überraschende Farb- und Formgebung noch drastischer, unterhaltsamer und einprägsamer.
METZENBAUER´s gekonnte schwarz-weiß Zeichnungen fesseln vom Inhalt und vom Formalen her.
Auch Xaver HAUSER, der Bildhauer ist ein neues Mitglied. Ausgehend von einem fast figuralen Thema wie in der Holzplastik “Aufbruch”, unterordnet der Künstler seine, im freien Arbeitsprozess aus dem Material heraus entstehenden Holz- und Steinarbeiten, ganz dem Rhythmus, einem musikalischen Rhythmus. Die Plastiken sind auf ein Spiel von Licht und Schatten konzipiert. Hauser´s Arbeiten wurden ebenfalls mit der goldenen Ehrenmedaille ausgezeichnet.
Ebenfalls zur Präsentation neuer Mitglieder gehörend, zeigen wir die Photos von Arbeiten von zwei Architekten, der Herren Franz REQUAT und Thomas REINTHALLER. Auch sie sind seit 1971 Mitglieder unseres Hauses. Wir freuen uns über ihre Beteiligung an dieser Ausstellung.

Dieser nur informative Überblick kann nur ein Streiflicht sein. Die Bilder, die Arbeiten sprechen ja für sich selbst.
Wir freuen uns selbst an der Vielfalt der Begabungen die wir hier zusammenführen, an der Meisterschaft einzelner, an der Verschiedenheit in der geistigen Haltung.
Wir wünschen Ihnen Freude an dieser Ausstellung. Und uns wünschen wir Ihr Interesse.

 
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