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Herbert
Stepan
Zu
der Ausstellung HERBSTSCHAU 1972
Mit
den Gästen Michael COUDENHOVE-KALERGI,
Eva
MAZZUCCO und Karlheinz PILCZ
Im
Wiener Künstlerhaus 29.11.1972-14.1.1973
Ist
die Jahreszeit auch ein gegebener, ein sich anbietender Anlass, unsere
Ausstellung “Herbstschau” zu nennen , so ist damit insbesondere
der Gedanke an Ernte, an den geistige Ertrag zurückliegender und
reicher Arbeitszeit verbunden.
Mit Resultaten eines starken künstlerischen Engagements umfasst diese
Veranstaltung, wohl in üblicher Ausstellungsdarbietung, vielseitige
künstlerische Bestrebungen. Sie zeigt mit den verschiedensten gestalterischen
Tendenzen, dass es heute in der bildenden Kunst, wo es im allgemeinen
keine universalen verbindenden Werte gibt, nur individuelle Leistungen
geben kann. Sie zeigt, dass jeder Schaffende für sich seinen Weg
finden muss.
Die sich von selbst ergebenden Überschau ermöglicht Vergleiche
über einige Erscheinungsformen heutiger Kunst. Eine Aufteilung, eine
in dieser Ausstellung versuchte Ordnung nach geistigen Schwerpunkten,
soll nicht nur dem Betrachter die Sachverhalte zugänglicher machen,
sondern auch das Aufeinanderprallen wirklicher Gegensätze - manchmal
auch nur scheinbarer - vermeiden helfen.
Es gibt zu dieser Ausstellung kein Leitmotiv, es ist kein Thema gestellt,
es war jedem Mitglied so wie auch jedem Gast freigestellt, nach eigenem
Ermessen Werke einzusenden und sich somit in seiner Schaffensart vorzustellen.
Die Ausstellungskommission hat, wie es ihre Aufgabe ist, gewissenhaft
nur nach Qualität zu entscheiden, keinesfalls aber diese oder jene
Richtung zu bevorzugen gehabt. In wertender Absicht hat die Jury vor jedem
Bild nach der Absicht des Künstlers zu fragen - und in welchem Grad
sie verwirklicht ist. Ob sich eine Richtung zeitbezogen oder scheinbar
abseits der Zeittendenz manifestiert, soll, weil in Wahrheit schwer entscheidbar,
außerhalb einer Parteinahme bleiben.
Wir als Künstlervereinigung haben das Geschehen im Bereich des Bildnerischen
zu dokumentieren. Es ist nicht entscheidend - innerhalb der Vereinigung
- ob eine Maler oder Bildhauer vom traditionellen Formgut her zur persönlichen
Aussage vorstößt, oder ob er den Weg der Abstrahierung vom
Sujet her beschreitet oder einen Inhalt erst im Gestaltungsprozess realisiert.
Auch diese Ausstellung kann den Beweis erbringen, dass der Vorwurf, den
man dem Künstlerhaus allzu gerne macht - es ginge gern ausgetretene
Wege, verharre in erprobter Konvention und verschließe sich allem
Neuen - durchaus nicht stichhältig ist. Dieser Vorwurf verrät
nur ein Gewohnheitsdenken, das allerdings leider ein allzu bequemes und
abfälliges Argumentieren erlaubt.
Als derzeitiger Ausstellungsleiter obliegt mir die schöne Aufgabe,
Sie sehr geehrte Damen und Herren über die zu eröffnende Ausstellung
zu orientieren. Mit großer Freude erlaube ich mir, Ihnen mehrere
der Aussteller besonders zu vorzustellen, alle Namen zu nennen, alle Werke
zu würdigen wäre unmöglich.
In der Künstlerhausgalerie haben wir diesmal Werke von drei Künstlern
ausgestellt. Es sind durchwegs bekannte Namen. Es ist die Bildhauerin
Eva MAZZUCCO, es sind die Maler und Graphiker Michael COUDENHOVE-KALERGI
und Karlheinz PILCZ.
Jenseits der realen Begriffe von Raum und Zeit zieht uns die Bilderwelt
COUDENHOVE-KALERGI´s in ihren Bann. Einmal eingesogen von diesem
Pandaimonium von Figuren und Figurinen, von skurrilen Maschinen und lebendig
gewordenen Architekturen, von wuchernden Pflanzen und seltsamen Tieren,
findet man kaum mehr zurück auf den Boden der gewohnten Welt. Eine
entfesselte Phantasie zwingt uns die Bildergeschichten mitzuerleben, dem
verwirrenden Figurengequirrl als einem aufregenden Abenteuer mit Augen
und Sinnen zu folgen. Sympathisch-skurril zelebriert COUDENHOVE diese
Bilderszenerie als ein dichtender Maler. Form und Inhalt sind eines. In
einem selbst geschaffenen Zaubergarten sind Werk und Schöpfer identisch
geworden.
Meisterlich im Handwerklichen und souverän in der Beherrschung seiner
Mittel stellt PILCZ, der phantastische Graphiker, in meist kleinen Formaten
uns die Gebilde seiner Fabulierlust vor Augen. Selten humorvoll, meist
dem Unheimlichen, ja dem drastisch Bösartigen zugeneigt, ist er ein
Illustrator der recht hintergründigen Seite des menschlichen Daseins.
Auch wenn er nicht illustriert sind seine Schöpfungen Dichtungen
eigenständigster Art. Ein zeichnender Poet, dessen Phantasie mitunter
recht beklemmende Extremsituationen favorisiert und uns eine Welt zeigt,
deren Wahrheit schon im Bekenntnis zu ihr liegt. - Es sei noch auf die
schöne Künstlermonographie hingewiesen, in der Prof. Feuchtmüller
und Peter Baum dem Werk des Graphikers Karlheinz PILCZ gerecht werden.
Formdisziplin, Finesse und klare Gegenständlichkeit zeichnen die
einfachen und schlichten Darstellungen Eva MAZZUCCO´s aus. Ausgangspunkt
all ihrer Plastiken ist immer ein seelisches Erlebnis. Und von dieser
Ursprünglichkeit her, durch diese schlichte Kraft findet der Beschauer
leicht Kontakt. Sie gibt Gefühlen Gestalt. Ihre Plastiken sind von
empfindsamer und technisch handwerklicher Qualität. Intuitiv erfasst
sie eine thematische Situation und weiß sie einfallsreich deutlich
zu machen. Schon die Titel mancher Kleinplastiken, wie “Der Sonnenbader”,
“Der Salzburger Mövenfütterer”, “Die Tratscher”
verraten liebenswerte Heiterkeit, die zu realisieren ihr vollkommen gelingt.
In den Reliefs “Der Prophet” oder “Am Ende der Philosophie”
klingen Themen an, die im zeichnerischen und malerischen Werk von Frau
MAZZUCCO immer dominierender werden. Es entspricht ihrem vielseitigen
Talent, sich nicht nur mit ihren Groß- und Kleinplastiken einer
dinghaften Welt zu verschreiben, sondern auch lockende Träume einer
mythischen Welt anschaulich zu machen und dafür neue Wege zu suchen.
Durch den Stiftersaal mit seinen vielen graphischen und farbigen Blättern
- wo jeder der acht Aussteller, ob Mitglied oder Gast mit drei bis vier
Blätter eine Seilte seines Schaffens und seiner Eigenständigkeit
sichtbar macht - werden Sie in den Plastikersaal geführt, in dem
wir von fünf Künstlerpersönlichkeiten jeweils eine größere
und geschlossene Folge ihrer Arbeiten zeigen.
Allein schon die Oberflächengestaltung, die kolonistische Nuancierung,
die tonige Qualität verweisen auf den starken Erlebnisgehalt der
Bildbekenntnisse von Kurt AMMANN. Ist es einmal die Zeichenhaftigkeit,
die uns Vorstellungen von geistigen Vorgängen erahnen lässt,
so gibt es neuerdings Blätter mit Bild- und Schriftfragmenten, die
über die Formaussage hinaus, mit literarischem Gedankengang, sinnbildhafte
Wirkung vermittelt, ohne illustrativ zu sein.
Seelische Gestimmtheit ist immer Inhalt der Monotypie bei Karl REISSBERGER.
Wirkungsvoll weiß er mit rhythmisierten Farbmassen und tonigen Übergängen
die Illusion von Naturerlebnissen zu suggerieren, die Empfindung des Aufsteigens,
der Weite, des Morgens gegenwärtig zu machen, ohne ein Abbild der
Natur zu geben. ”Veranschaulichungen des Unbegrenzten” möchte
man diese, im besten Sinne romantischen Bildfolgen nennen.
Die ein- oder mehrfarbigen Radierungen Heinrich HEUER´s sind energische
Formstrukturen, die immer die, rational nicht definierbare Seite eines
Phänomens zu einer geistigen Realität verdichten. Er nähert
sich nicht von einem wahrnehmbaren Objekt her seinem Thema, das, begrifflich
nicht fassbar, aus innerer Spannung aufsteigt und sich im Arbeitsprozess
realisiert. Wie diese Kompositionen wohl intuitiv aber nicht willkürlich
geschaffen sind, so sind sie wohl auch dem Betrachter nur intuitiv erfassbar.
Wirkungseffekte ohne Bezug auf unmittelbar Erkennbares, ohne Ablenkung
durch einen gegenständlichen Bildinhalt, als rein inspirierte Aussagen,
zeigt uns die meisterhafte Druckgraphik Fred NOWAK´s, zeigen uns
auch die spontanen Arbeiten von Lucia KELLNER. Ihre Farbgefüge, ihre
kolonistischen Akkorde sind künstlerische Aktion.
Wieder anders ist der Weg Werner WILLER´s. Im linken Mittelsaal
zeigen uns drei große Bilder, dass seine Abstraktionen von der Naturbeobachtung
angeregt, vom Naturerlebnis veranlasst sind. Werden, Wachsen und Vergehen
heißt sein Thema. Auch er findet für gestaltloses Fühlen
seine Sprache, seine Realisierung.
Isolde JURINA wählt sich für ihre großen dunkelfarbigen
Tafelbilder das Märchen zum Thema, in dessen böse und dunkle
Seite sie uns tief hineinzieht. “Brüderlein und Schwesterlein”
in drastischer Deklamation, haben keineswegs mehr den Charakter eines
rührenden Volksmärchens. Auch hier wird “Die andere Seite”
gezeigt, es wird die bösere Hälfte genommen - in individueller
Tendenz - wobei das Inhaltliche und das Formale sich gegenseitig steigern.
Erzählerisches sehen Sie in malerischer freier Form bei ROTTER-PETERS
und die beiden Bilder unseres Gastes des Malers Issai KULVIANSKY zeigen
in der schwungvollen Handschrift des Malers persönlichst dargebotene,
förmlich wie hingeschriebene, fast visionäre Portraits.
Das Erlebnis des Sujets, das zugleich sinnliches Farb- und Formerlebnis
ist, ist Anliegen der Künstler, die im rechten Mittelsaal ihre Spontaneität
in Farb- und Malfreude zeigen. Maler wie z.B. REINKENHOF, BEISCHLÄGER,
WLCEK und KRAUSE finden im Malerischen die innere Ursache alles Künstlerischen.
Sie sind Meister der sinnlichen Beobachtung und schaffen mit ihrem Werk
ein zusammenfassendes Bild der Wirklichkeit. Die sichtbare Welt ist ihnen
insbesondere unausschöpfliche Quelle der künstlerischen Form,
sie wird immer neu entdeckt, immer wieder neu erlebt und im Bild als geistig-seelische
Aktion in immer neue Relation zum Menschen gesetzt.
In gewohnten oder ungewohnten Gestaltungsweisen wird das gemalte Werk
da oder dort sicher dem Betrachter die Entsprechung des eigenen Lebensgefühls
finden lassen oder sein Interesse am heutigen Geschehen im Bereich der
bildenden Kunst ansprechen können.
Auf die Frage nach dem Zeitbezug des Bildes wird der Betrachter wohl immer
jeweils für sich selbst eine Antwort suchen und finden.
Zur Frage der Tradition, im positiven oder negativen Sinn, ist vielleicht
zu sagen, dass kein Künstler ohne bewusste oder unbewusste Übernahme
eines tradierten Formgutes, sei es älteren oder jüngeren Datums
überhaupt beginnen kann. Er muss zuerst einmal einen Weg gehen, den
vor ihm andere gegangen sind. Entscheidend freilich wird es sein, ob er
in der Tradition verharrt, ob Tradition zum Schema wird oder ob er die
Tradition schöpferisch weiterführt und neue Wege geht und seine
eigene geistige Haltung, seine persönliche Entfaltung findet.
Entgegen allen propagierten Kunsttheorien, die meist ein Neues und noch
Neueres erzwingen und aufzwingen wollen, wird der Weg zur Kunst mit der
Verwirklichung der eigenen geistigen Existenz verbunden bleiben und entschieden.
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